Direkt zum Hauptbereich

Eine Welt aus Glitzer und Spandex

Die Anfangsszene der neuen Netflix-Serie GLOW zeigt Hauptfigur Ruth bei einem Filmcasting. Nachdem sie zunächst den männlichen Part (ein taffer Geschäftsmann) vorgelesen hat, wird sie von der Casting-Direktorin aufgefordert nochmal von vorne anzufangen. Der weibliche Part: „Entschuldigung Chef, ihre Frau ist auf Leitung zwei.“ Das sitzt und zeigt direkt in welche Richtung GLOW geht.

Die Handlung kurz zusammengefasst: Im Hollywood der 1980er Jahre ist es für die ambitionierte, aber wenig erfolgreiche Schauspielerin Ruth (gespielt von Alison Brie) schwer Rollen zu finden. Schließlich wird sie auf ein etwas außergewöhnlicheres Casting aufmerksam gemacht. Regisseur Sam Sylvia (Marc Maron) und Produzent Bash Howard (Chris Lowell) sind auf der Suche nach zwölf Frauen, um eine Damenwrestlingliga zu gründen - die Gorgeous Ladies of Wrestling (kurz GLOW). Ohne sich jemals wirklich mit dem Thema Wrestling auseinandergesetzt zu haben, begibt sich Ruth in die Welt aus Glitzer und Spandex Bodies und kämpft um einen Platz im Ring. Ebenfalls am Start ist Ex-Soap-Star und Ruths ehemals beste Freundin Debbie (Betty Gilpin), die ihr nach einem schweren Vertrauensbruch die Freundschaft gekündigt hat. Sylvia will Debbie zum Gesicht von GLOW machen – da ist Konkurrenzkampf vorprogrammiert.

Von Minute eins ist klar, in GLOW geht es um mehr als um Frauenwrestling. Hier geht es um den Kampf der Frau ernstgenommen zu werden. Superstars wie Madonna haben in den 1980ern zwar bereits die sexuelle Revolution ins Rollen gebracht, aber bei der Durchschnittsfrau ist diese noch nicht angekommen - und eben auch nicht auf den Besetzungslisten in Hollywood. Das sieht man auch an Debbie, die stets betont, sie habe sich freiwillig für den Ausstieg aus dem Fernsehgeschäft entschieden. Doch schnell wird deutlich, dass es nach der Geburt ihres Kindes keine andere Option gab. Der Zuschauer erwischt sie sogar dabei, wie sie sich reumütig ihre alte Serie anschaut.

Auch Rassismus und die Diskriminierung von Minderheiten im damaligen Hollywood wird thematisiert. In Arthie Premkumar sieht Produzent Bash schlicht eine Araberin. Also bekommt sie den Wrestlernamen "Beirut the Mad Bomber" verpasst und ein Maschinengewehr in die Hand gedrückt - was sie nur mit „so vorhersehbar“ kommentiert. Bash erklärt das relativ simpel: „Um euren Hintergrund geht es beim Wrestling nicht. Es geht um den Typ.“ Man müsse den Leuten geben, was sie erwarten und bei einer Araberin (die in diesem Fall übrigens eigentlich eine Inderin ist) denke man halt an einen Flaschengeist oder eben eine Terroristin. Und so geht es immer weiter:  Die farbige Tammé Dawson bekommt den Alias „the Welfare Queen“ und schwadroniert in ihrer Rolle darüber, wie toll es ist nichts zu tun und von den Steuerzahlungen anderer zu leben. Eine echte Athletin und Olympiagewinnerin darf nicht in die Rolle der "Liberty Bell" schlüpfen, weil sie nicht hübsch und amerikanisch genug ist. Stattdessen wird sie zu "Vicky the Viking" und die blonde Debbie zum patriotischen Strahlemädchen "Liberty Bell".
Auch Ruth nutzt die einfach Denke des Wrestlings und kreiert die Rolle des ultimativen Bösewichts: eine Russin. Laut Sylvia „die besten Bösewichte seit den Nazis“. GLOW spielt noch zu Zeiten des kalten Krieges, also wird dieser mal eben in den Ring verlegt.        

Die simple schwarz-weiß Denke wird so trocken serviert, dass sie sich selbst ad absurdum führt. Klar, die Serie spielt vor über zwanzig Jahren, aber letztlich ist die Thematik heute so aktuell wie eh und je. Ein neuaufkeimender Rassismus bestimmt überall auf der Welt die Medien. Auch in Deutschland. Und hatten wir nicht erst 2016 die #OscarsSoWhite?

Und letztlich ist auch das Thema Gleichberechtigung in Hollywood noch lange nicht abgeschlossen. Immer wieder beschweren sich Schauspielerinnen öffentlich über das große Lohngefälle zwischen männlichen und weiblichen Co-Stars, um nur ein plakatives Beispiel zu nennen.

Verantwortlich für GLOW zeigen sich die Orange Is the New Black-Schöpferinnen Jenji Kohan, Carly Mensch und Homeland-Produzentin Liz Flahive.  Mit Orange Is The New Black ist Kohan die bis dato erfolgreichste Netflix-Serie gelungen. Auch GLOW hat definitiv das Potential für eine lange Laufzeit und das generieren einer treuen Fanbase. Auf Rotten Tomatoes hält die Serie aktuell 96%.     
Ich musste mich an den Handlungsrahmen tatsächlich zunächst gewöhnen. In Deutschland ist Wrestling einfach noch nicht so das Thema (ja, man versucht es hier gerade zu etablieren, aber noch ist das Ganze wohl eher ein Nischending). Zudem fand ich, dass die Serie etwas langsam in Fahrt gekommen ist. Gerade Folge eins und zwei waren streckenweise etwas langatmig; ab Folge drei hat mich die Serie aber gepackt. GLOW bietet lustige Gags und vielseitige Charaktere, auf deren weitere Entwicklung ich auf jeden Fall gespannt bin.
Besonders überrascht war ich übrigens von Kate Nash, die in der Serie eine Nebenrolle spielt. Ich musste zweimal hinschauen, um sicher zu gehen, dass sie das wirklich ist. Die „Nicest Thing“-Sängerin legt eine Komplettverwandlung hin und spielt überraschend gut. Einziger Wermutstropfen: Mich stört irgendwie die Story um Debbie und Ruth. Ohne hier spoilern zu wollen: Mit dem bereits erwähnten Vertrauensbruch, liefert die Serie dann doch irgendwie das, was sie eigentlich nicht will. Ich bin mir nicht sicher ob man das wirklich gebraucht hätte. Mal schauen wie sich das in einer – hoffentlich – zweiten Staffel entwickelt. 
Mein Fazit: Nachdem Netflix mit dem letzten Versuch, eine Serie mit einer starken weiblichen Hauptrolle zu platzieren (Girlboss), meiner Meinung nach eine Bauchlandung hingelegt hat, ist mit GLOW etwas wirklich Gutes gelungen. Alison Brie, die den meisten wohl aus Community bekannt ist, und Betty Gilpin sind eine tolle Besetztung. Wer Orange ist The New Black mag, wird sicherlich auch GLOW mögen und auch jedem anderen kann ich die Serie nur ans Herz legen.                
Letztlich habe ich mich sogar mit dem Wrestling angefreundet und fand es echt interessant zu sehen, wie so ein Kampf aufgezogen bzw. choreografiert wird. 

Photo Credits: Netflix

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

NaturalBornFavorites: Life is Strange

Ich stelle euch heute eines meiner absoluten Lieblingsgames im Adventure-Bereich vor: Life is Strange vom französischen Entwickler Dontnod . Das Spiel ist von der Sorte, die ich als Gelegenheitsgamerin an der PS4 am liebsten habe. Man kann den Spielverlauf mit seinen Entscheidungen verändern (Multiple-Choice-Prinzip) und spielt eine zusammenhängende Story ohne sich in Nebenhandlungen zu verlieren. Vom Aufbau her erinnert das Spiel eher an einen Film - es ist unterteilt in fünf Episoden, die jeweils einen Tag der Woche umfassen - und es gibt viele Momente zum zurücklehnen und genießen der verträumten filmischen Sequenzen. Die Story im Überblick: Nach fünf Jahren Abwesenheit kehrt die 18-jährige Maxine Caulfield zurück in ihre Heimatstadt Arcadia Bay (fiktive Kleinstadt) im amerikanischen Oregon um an der bekannten Blackwell Academy Fotografie zu studieren. Während Ihrer Abwesenheit hat sie den Kontakt zu ihrer ehemaligen besten Freundin Chloe verloren.  Bereits in der ersten

Valerian - ein Satz mit X

Wir haben uns gestern Valerian – Die Stadt der tausend Planeten im Kino angesehen. Zunächst: Die Kritiker haben recht, wenn sie die optische Gestaltung des Filmes loben. Die Bilder, die Regisseur Luc Besson auf die Leinwand bringt, sind bombastisch. Ein Feuerwerk aus Farben und Formen und ja, sie können streckenweise über die schwache Handlung hinwegtrösten. Aber eben nur streckenweise! Denn abgesehen davon ist Valerian ein echt schlechter Film. Valerian – Die Stadt der tausend Planeten basiert auf der französischen Comicreihe Valérian et Laureline von Pierre Christin und Jean-Claude Mézières. Der erste Teil erschien bereits 1967 und war (zunächst) insbesondere in Europa ein Riesenerfolg. Angeblich soll das Science-Fiction-Comic um die „Weltraumagenten“ Valérian und Laureline sogar George Lucas inspiriert haben . Die Comicserie hat eine Verfilmung also in jedem Fall verdient. Eine richtige Hollywoodverfilmung mit großen Namen wie Clive Owen und Ethan Hawke, inszeniert von einem

Kindred Spirits: A Star Wars Story

Der Sommer ist (zumindest meteorologisch) da und mit ihm kommen die lang ersehnten Sommerurlaube. Urlaubslektüre gewünscht? Dann habe ich einen Tipp für euch: Rainbow Rowell hat ein kleines aber wirklich feines Büchlein über drei junge Menschen und deren Liebe zu Star Wars geschrieben.