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Geschichten von Nobody

„Ein Junge überlebt“ heißt das erste Kapitel in J.K. Rowlings Roman Harry Potter und der Stein der Weisen. Tatsächlich könnte es aber genauso gut aus Neil Gaimans Graveyard Book stammen.
Denn, auch Gaimans Werk erzählt von einem kleinen Jungen, der als einziger den Mord an seiner Familie überlebt. Und wie auch schon Harry wird der kleine Junge, der auf den Namen Bod (kurz für Nobody) hört, weiterhin von dem Mörder seiner Familie gejagt. Auch Bod findet ein Zuhause in einer neuen und ungewöhnlichen Welt, allerdings nicht in der Welt der Zauberer, sondern auf einem alten Friedhof.           
Klingt morbide - ist es vielleicht auch. Bod wird von dem Ehepaar Owens adoptiert, die den Jungen gemeinsam mit den anderen Bewohnern des Friedhofes aufziehen. Immer an Bods Seite ist sein Vormund Silas der, anders als die anderen Bewohner des Friedhofs, kein Geist, sondern nach eigenem Bekunden nicht tot, aber eben auch nicht lebendig ist.          
 
Auch wenn man sich an den Schauplatz der Handlung grundsätzlich
vielleicht erst einmal gewöhnen muss, kommt der Roman weder besonders makaber oder gruselig oder brutal daher. In weiten Strecken erinnert er gar an einen klassischen Coming-Of-Age-Roman. Wie eigentlich jedes  von Gaiman Büchern, besticht The Graveyard Book in erster Linie durch Gaimans Fantasie und Ideenreichtum sowie seine Liebe zum Detail, mit der er die einzelnen Charaktere zum Leben erweckt. Wie man es von Gaiman kennt, finden sich auch in diesem Roman einige Elemente der Mythologie wider, allerdings nicht in dem Umfang wie es beispielsweise in American Gods der Fall ist. 

In einem Interview bekundete Gaiman einmal, dass er sich bei dem Graveyard Book von Rudyard Kiplings Dschungelbuch hat inspirieren lassen.
I remember thinking once how incredibly at home he [Anm. d. R. Mowgli] looked there. I thought you could write something a lot like ‘The Jungle Book’ and setit in a graveyard.” Das ist Gaiman auch definitiv gelungen! Auch das Ende des Buches erinnert stark an Das Dschungelbuch: Wie auch Mowgli steht Bod, mittlerweile fast erwachsen, an einem Scheideweg. Das lässt den Leser etwas wehmütig zurück. 


In mehreren Kritiken zu diesem Buch wurde das Ende als etwas unbefriedigend beschrieben. Ich empfand das nicht so. Tatsächlich kam es mir ein bisschen wie ein doppelt verneintes Happy End vor (Es ist nicht, nicht ein Happy End). Die Moral von der Geschichte: Lebe dein Leben („Leave no path untaken“). Was bei einem Buch, das auf einem Friedhof spielt, natürlich etwas sehr Ironisches hat.
The Graveyard Book liest sich ein bisschen wie eine Anthologie. Jedes Kapitel deckt etwa zwei Jahre von Bods Leben ab. Auch wenn bestimmte Handlungsstränge immer wieder aufgegriffen werden, sind die einzelnen Kapitel in sich relativ abgeschlossen. Ich persönlich mochte das sehr gerne, weil so jedes Kapitel für sich spannend war und mit interessanten Geschichten und Abenteuern aufwartete. Allerdings kann ich mir vorstellen, dass das nicht jedem gefällt. Auch sehr begeistert war ich von den Illustrationen von Dave McKean, mit dem Gaiman bereits mehrfach zusammengearbeitet hat (z.B. die Graphic Novels  Violent Cases und Black Orchid und der Spielfilm Mirror Mask).    

Nach dem großen Erfolg des Romans adaptierte Neil Gaiman das Graveyard Book später in eine Graphic Novel. Der erste Teil erschien 2013, Teil zwei ein Jahr später. Eine Verfilmung ist angeblich in Planung.
Wer den düsteren, skurrilen Stil und Humor von Gaiman mag, wird auch dieses Buch mögen. Allerdings kann sich wahrscheinlich nicht jeder dafür begeistern. Ich für meinen Teil mochte es wirklich sehr - so wie bisher alles, was ich von Gaiman gelesen habe.

Der deutsche Titel des Buches lautet übrigens Das Graveyard-Buch. Was mich zu der abschließenden Frage bringt: Wer bitte ist für diese Übersetzung verantwortlich? Entweder man ist konsequent und nennt es Das Friedhofsbuch oder man belässt den Titel halt einfach im Englischen.
Photo Credits: Neil Gaiman/Dave McKean - The Graveyard Book (2010)













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